Der Mythos vom richtigen Stuhl

"Gesund Sitzen" ist das Ziel, das der Entwicklung unserer ergonomischen Sitzkissen zu Grunde liegt.

Aber weshalb investieren Sie nicht gleich in einen richtig guten ergonomischen Bürostuhl? Wir von THEAlines sind der Annahme, dass wir allgemein zu viel sitzen und zwar an unterschiedlichen Orten, an denen wir unseren Bürostuhl nicht immer dabei haben können. Ausserdem liegt die Frage nah, weshalb trotz des heutigen Stand des physiologischen Wissens und der ergonomischen Technik und der gesundheitlichen und finanziellen Implikationen für Arbeitgeber, Krankenkassen etc., immer noch so viele Stühle keine perfekte Sitzergonomie bieten? Zum Einen gibt es keine "perfekte" Sitzergonomie für die vielen Stunden, die die meisten von uns sitzend verbringen und wir sollten zudem in erster Linie weniger und bewusster sitzen. Zum anderen kann es unserem Verständnis helfen, sich die Entwicklung der Stühle im Allgemeinen anzuschauen.

Ein kleiner Rückblick in die Stuhlentwicklung

Um die Entwicklung von Stühlen zu verstehen, hilft es sie als Kulturgegenstände zu begreifen, die in erster Linie als Ausdrucksmittel von hierarchischer Position und gesellschaftlichem Status dienten, als dass sie wie ein auf die menschliche Anatomie angepasstes Hilfsmittel/Werkzeug entstanden wären.1

 

Entwicklungsgeschichte vom alten Ägypten bis zum 17. Jh. ist hier zu lesen >>

 

Im 18. und 19. Jhd. entwickelte sich der Stuhlbau zur eigenständigen Handwerkskunst. Stühle entwickelten sich in Anpassung an die kontemporäre Mode, architektonischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Sie waren vordergründig Mittel, um sozialen Status zu kommunizieren und nicht dazu da, den menschlichen Körper optimal zu halten und zu entlasten bei gleichzeitiger Unterstützung der allgemeinen Gesunderhaltung durch Beweglichkeit. D.h. in ihrer Entwicklung wurde so gut wie gar nicht darauf geachtet:

  • dass es nicht zu Stauchungen der innere Organe und Störung der Blutzirkulation kommt,
  • die Muskulatur nicht einseitig belastet wird bzw. erschlafft, z.B. im unteren Rücken und im Bauch,
  • die Bandscheiben nicht über einen längeren Zeitraum einseitig belastet werden, indem die Wirbel auf die Bandscheiben an dafür nicht optimal ausgelegten Stellen drücken, z.B. in der zusammengesackten Rundrückenposition,
  • dass die Nährstoffversorgung der Bandscheiben durch Bewegung gewährleistet wird.

Um die wachsende Stadtbevölkerung mit passendem Möbel zu versorgen, entstand ein Reihe an industriell gefertigten Serienstühlen, deren Gestalt sich weniger an der menschlichen Physiologie als am restlichen Stil der Einrichtung (Wohnkultur) orientierte oder versuchte mehrere Funktionen innerhalb der kleinen Stadtwohnungen zu erfüllen (Multifunktionsmöbelstücke, z.B. Sessel und Bett in Einem).

 

Durch die Industrialisierung breitete sich die sitzende Tätigkeit aus, während in der Landwirtschaft kaum gesessen wurde. In England standen die Büroangestellten (Clerks) ursprünglich noch. Ende des 19. Jhd richten sich die zwei Strömungen Arts and Crafts und Art Nouveau gegen die historischen Stühle (Rokoko, Renaissance, Viktorianisch, Gotisch, Kolonialstil) die mit einer Obsession von Dekoration und Bequemlichkeit (gefederte Polsterung) gleichgesetzt wurden und wollten die Standards in Design und Herstellung anheben.

 

Einige Menschen sahen die Lösung in den sogenannten Patentmöbeln, die anpassbar/verstellbar waren und somit unterschiedliche Sitzhaltungen unterstützten. Sie hofften, dass diese Patentmöbel mit der Zeit den Geschmack der Käufer ändern und neue Stile hervorbringen würden. Leider hielten sie nur Einzug in bestimmten technischen Arbeitsumfeldern (z.B. Arztpraxen und Büros) um dort Bewegung und Entspannung (notwendig für die Leistungsfähigkeit der Angestellten) und blieben aus dem privaten Haushalt verbannt, da die wohlhabende Schicht weiterhin traditionelle Stile bevorzugte und die aufstrebende Mittelklasse nun in der Lage war günstigere Imitate dieser traditionellen Stile (handgefertigt ausschauend, aber industriell gefertigt) zu erwerben.

 

Somit wurde die physiologisch notwendige Beweglichkeit und entspannende Wirkung durch anpassungsfähige Sitzflächen dem Stil gegenübergestellt. Stil war ein Mittel, um soziale Identität (gesellschaftliche Herkunft, Bildungsgrad, Einkommen etc.) zu kommunizieren. Außerdem waren einige Patentstühle nicht erfolgreich, da sie zu demokratisch vermarktet wurden und keinerlei Versprechen an Exklusivität machten, d.h. dem einfachen Angestellten den gleichen Komfort boten wie dem Vorgesetzten.

 

Zudem war für unsere Urgroßeltern körperliche Bewegung eher Zeichen von schlecht bezahlter Arbeit, wohingegen der Luxus aufrecht und in Ruhe zu sitzen eher als ein Privileg des modernen Menschen angesehen wurde. Was in einer Gesellschaft als „komfortabel“ angesehen wird, ist eher Ausdruck der Mode als von tatsächlich physischem Empfinden, weshalb es sich historisch stark unterscheidet. Erst im 19. Jhd wurde ein weiterer Lehnenwinkel und gefedertes Polster als bequem und erstrebenswert empfunden – in der Moderne wurde dies dann wieder abgelehnt. Diverse Untersuchungen in diesem Bereich lassen darauf hindeuten, dass der bloße Eindruck von Komfort stärker zu wirken scheint als das tatsächliche haptische Erlebnis. Aus diesem Grund können Hersteller und Händler nach wie vor Stühle verkaufen, die ergonomisch nicht sinnvoll, sondern eher schädlich für unsere längerfristige Gesundheit sind, solange die Stühle attraktiv genug aussehen.2

 

Leider steht die sitzende Tätigkeit für lauter positive Dinge, wie z.B. Fortschritt, saubere und leichte Arbeit, Erfindertum und Wohlstand. Und es wurde zum Inbegriff für Geselligkiet und Entspannung, so sitzen wir beim Essen, zu Hause, in der Kneipe, beim Filme schauen und beim Surfen im Internet. Ein Umdenken und ein bewussteres Sitzverhalten sind an der Zeit.

 

 


 Quelle:

 

1 G.W. Hewes, 1957. In Cranz, G. The Chair: Rethinking Culture, Body, and Design. New York: Norton & Company, 2000.


2 Cranz, G.. The Chair: Rethinking Culture, Body, and Design. New York: Norton & Company, 2000.


3 Stern, Ausgabe Nr. 16 in 2015, Artikel: Sitzen - Die unterschätzte Gefahr.

 

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